Es gibt ein verblüffendes Angebot an Bedeutungen und Konnotationen, die mit dem Begriff Liebe assoziiert werden. Die Cassiopaeaner sagten, dass Liebe dem Licht und dem Wissen gleichkommt.
Wir können zwischen subjektiver und objektiver Liebe unterscheiden. Wir können auch zwischen Liebe auf der menschlichen Ebene und Liebe als kosmisches Prinzip, wie z.B. die Liebe Gottes zu seiner Schöpfung, unterscheiden.
Auf der menschlichen Ebene besteht die zentrale Frage darin, ob man jemand anderen liebt, oder ob man die eigene Vorstellung über diesen anderen liebt. Jemand anderen zu lieben besteht in dem Streben, diesen anderen darin zu unterstützen, das zu erreichen, was immer sein/ihr höchstes Potenzial oder seine/ihre natürliche innere Richtung sein könnte. Damit dies Sinn ergibt, muss man danach streben, seinen Geliebten erst einmal kennen zu lernen, und zwar nach seinen Maßstäben, nicht den eigenen. Die Gurdjieff’sche Tradition nennt dies objektive Liebe.
Die subjektive Art der Liebe ist mit der eigenen Vorstellung über den anderen verbunden, oder damit, was man von dem anderen bekommen oder wie man von ihm profitieren kann. Die verschiedensten Sehnsüchte werden von den Menschen Liebe genannt. Diese können mit sozialem Status zusammenhängen, mit Sucht nach Macht oder Beherrschung über jemanden, sexuellem Interesse und so weiter. Die Emotion fluktuiert zwischen der Befriedigung durch das ‘Nehmen’ und der Furcht vor dem Verlust, und ist generell auf das Selbst zentriert. Subjektive Liebe strebt danach, den anderen irgendwie gewaltsam zu einer Erweiterung des eigenen Selbst zu machen. Ein Beispiel dafür ist die Angeberei darüber, was für einen schlauen oder gutaussehenden Partner oder Kind man hat, um sich irgendwie selbst zu erhöhen. Jegliche Spiele der Dominanz oder der Ko-Abhängigkeit, die oftmals den Begriff Liebe beinhalten, fallen in diese Kategorie.
Die Beziehung zwischen Liebe und Zuneigung ist subtil. Die subjektive Perspektive macht kaum einen Unterschied zwischen Liebe, dem Verlangen nach Besitz, Bedürfnis und Zuneigung. Dennoch scheint Liebe völlig ohne den Wunsch, bei dem Geliebten zu sein oder mit ihm zu interagieren, ein Widerspruch zu sein. Wir sollten die Vorstellung von ‘wenn du jemanden liebst, lass ihn gehen’ nicht in dem Extrem verstehen, alle Partner als potenziell austauschbare Objekte der Liebe zu sehen. Dies verfehlt die Möglichkeiten der Spezifität und Gegenseitigkeit, die dem Konzept innewohnen.
Liebe wird oft mit ‘Bedürfnis’ verwechselt. Wenn ‘Liebe’ im Sinne der objektiven Liebe eine Interaktion des Gebens ist, dann muss man, um zu lieben, auch bereit sein, zu geben, und man muss etwas Angemessenes haben, das man geben kann. Die Vorstellung des Bedürfnisses kehrt dieses Konzept aber um und macht aus der Liebe für den anderen eine Liebe für das Selbst. Es gibt viel Publicity der Mainstream-Psychologie über das Konzept, dass man sich selbst lieben muss, bevor man jemand anderen lieben kann. Dies knüpft an die Vorstellung des Gebens versus des Bedürfnisses; doch die Idee der Selbstliebe verdreht das Konzept zu einem Dienst am Selbst.
Es ist treffender zu sagen, dass man sein muss, um lieben zu können. Sein und Selbstliebe, im Sinne des obigen Absatzes, sind gänzlich unterschiedlich. Sein bedeutet hier innere Konsistenz. Man kann nicht lieben, wenn das eine Ich liebt, das andere Ich von Eifersucht besessen ist, ein drittes Ich es als töricht betrachtet und ein viertes nicht einmal von der ganzen Sache weiß. Außerdem muss man den Geliebten kennen, um irgendetwas außer den eigenen Illusionen zu lieben. Die Kapazität des Kennens basiert wiederum im Sein. Liebe impliziert oftmals spezifische Widmung oder Engagement. Dies bedeutet wiederum wenig, wenn man keine innere Konsistenz des Seins hat. Daher ist Arbeit am Selbst notwendig, um besser lieben zu können.
Philosophen und Künstler haben auf verschiedene Arten versucht, eine Brücke zwischen der Liebe der menschlichen Romanze oder der Familie und etwas Größerem und Kosmischeren zu schlagen – wie die Liebe Gottes zu seiner Schöpfung. Viel wurde gesagt über die Konzepte von Eros und Agape – die persönliche, spezifische Liebe sowie die göttliche, allumfassende Liebe. Zugegebenermaßen beinhalten persönliche Beziehungen verschiedene Aspekte beider Arten, aber dennoch haben wir noch immer eine breite Schlucht zu überbrücken. Verschiedene Denker haben verschiedene Aufstieg der Liebe vorgeschlagen, wobei jede auf ihre Weise von der Spezifität der menschlichen Leidenschaften zum Göttlichen und Universalen greift.
Der platonische Aufstieg erkennt als erstes die körperliche und begrenzte Natur der menschlichen Leidenschaft, Eifersucht, Obsession, die Sehnsucht nach dem Selbst, und all diese Merkmale, die – gemäß einer bestimmten immanenten Vorliebe der platonischen Tugenden für Wahrheit, Schönheit und Güte – auf unterschiedliche Arten unrein und beschmutzt sind. Der Schüler der Liebe befreit sich dann von solcherlei beherrschten Gedanken, indem er die Liebe des Speziellen, die oftmals mit sexuellen und/oder besitzergreifenden Elementen getönt ist, zu einer breiteren Kategorie sublimiert: zu allem was schön ist, indem er von der Person selbst zu den liebenswerten Eigenschaften im Allgemeinen übergeht. Diese Liebe transformiert sich in die Liebe der allgemeinen abstrakten platonischen Tugenden, und ist somit von den Sorgen über Verlust [des Geliebten] oder dem beherrschenden Gedanken an Kontrolle befreit, da der Geliebte das größere Universum von Wahrheit, Schönheit und Güte ist. Diese Deutung ist attraktiv, doch verliert sie auf dem Weg eben jene sehr menschlichen Charakteristiken der persönlichen Spezifität und Gegenseitigkeit. Der platonische Aufstieg kann daher eher als eine Trennung denn als eine Vereinigung gesehen werden, wobei der Schüler seine emotionale Verletzlichkeit und in gewissem Sinne seine Menschlichkeit verleugnet, indem er sich in die Kontemplation dessen zurückzieht, was ewig aber nicht persönlich ist.
Der platonische Aufstieg beinhaltet eine sehr subtile Dualität: Einerseits können die Tugenden von jemandem, der sich auf dem esoterischen Weg befindet, nicht verleugnet werden. Andererseits kann der ausschließliche Fokus darauf zu einer Verweigerung der Lektionen führen – als würde man verfrüht Gottes erhabene Perspektive von allem, was ist, annehmen, ohne selbst die Feuer durchquert zu haben, von denen man behauptet, sie transzendiert zu haben.
Ein ganz anderer Aufstieg wird in Emily Brontes Klassiker Wuthering Heights dargestellt. Hier erreicht die einzigartige Romanze von Cathy und Heathcliff eine Art Unsterblichkeit durch ihr Extrem an Spezifität und Unbeirrbarkeit. Die Hauptfiguren erlangen eine Art von Kristallisation durch die Extremität ihrer verbotenen Leidenschaft und Grausamkeit dem anderen gegenüber; diese ist teilweise bewusst, und teilweise eine Konsequenz davon, sich nicht gänzlich von den Fesseln der Umstände befreit zu haben. Beide sind Kreaturen des Willens und des Bewegungszentrums, während der platonische Schüler eher intellektuell ist. Die Geschichte von Cathy und Heathcliff erfasst eine Art Liebe auf der archetypischen Ebene, doch scheint diese mehr in die Richtung der STS-Polarisierung zu gehen, indem Emotion als Katalysator verwendet wird.
Ein weiterer Aufstieg wird von Mouravieff in seiner Beschreibung des polaren Paares aufgezeigt. Die Partner sind wiedervereinigte Hälften des ursprünglich ungebrochenen Wesens, die sphärisch perfekte Form, wie sie in Platons “Symposium” beschrieben wird. Während Cathy und Heathcliff eine Art polare Gegenüber repräsentieren könnten, sind die Partner des polaren Paares des Mouravieff’schen 5. Weges esoterische Suchende, die sich unter der Schirmherrschaft der esoterischen Arbeit zusammenfinden und gemeinsam danach streben, die Effekte des Sündenfalles umzukehren, und der neue Adam und die neue Eva zu werden. Mouravieff beschreibt verschiedene Möglichkeiten und Fallen einer solchen Situation – siehe die Gnosis-Bände und ‘Polare Wesen’.
In metaphysischem Material wird viel darüber gesprochen, dass die Liebe das primäre Prinzip der gesamten Schöpfung ist, und wie sich letztendlich alles auf die kosmische Liebe reduzieren lässt. Auch werden die Wörter ‘Liebe und Licht’ oft zusammen mit einer bestimmten Bedeutung verwendet. Das Problem solchen Materials ist der Mangel an Definition und die semantische Vagheit.
Ra definiert Liebe/Licht als den primären Impuls und Licht/Liebe als das Resultat der Anwendung dessen; wo der Wille der Liebe sich auf die Substanz, die Licht ist, einprägt. Es ist, als ob Liebe die schöpferische Absicht wäre und Licht die resultierende Information oder Form. Boten des neuen Morgens behandelt das Thema auf ähnliche Weise. Die Cassiopaeaner sprechen davon, dass Gravitation das Bindemittel ist und Licht ihr Ausdruck von Energie. Wir können uns unterschiedliche Verhältnisse von Liebe und Licht an verschiedenen Punkten vorstellen. Liebe ohne Licht geht in die Richtung von Wille ohne Information. Licht ohne Liebe geht in die Richtung von Information ohne Anwendung. Die Dualität von STO/STS ist in diesem Konzept der Liebe inbegriffen, da es sich um die Liebe für das Selbst oder für einen anderen handeln kann – implodierend und absorbierend oder sich ausweitend und ausstrahlend. Spirituelle Gravitation wird in Verbindung mit Liebe/Licht und Licht/Liebe diskutiert, welche eine gewisse Übergangsintensität oder -konzentration erreicht, wie an der Grenze zu höheren Dichten.
Liebe, Licht und Wissen können als verschiedene Aspekte eines Ganzen betrachtet werden, das diese drei Komponenten in unterschiedlichen Proportionen immer enthält. Sie sind nicht genau das gleiche, aber sie treten zusammen auf. Ra spricht über die Idee, dass das Gesetz des Einen (The Law of One) das Ausbalancieren von Liebe/Licht und Licht/Liebe ist.
Sogar auf der menschlichen Ebene sehen wir, dass Liebe, Wille und Wissen miteinander verbunden sind. Wir könnten Liebe als den Impuls des Willens betrachten, Licht als den Austausch von Energie und Information, und Wissen als das integrierte Resultat dieses Prozesses.